Mundartgedicht von Johanna Weigl
Waunn er wieda aufstangert!
Dieses Mundartgedicht von Johanna Weigl handelt von einem Ritter, der - ursprünglich auf der Burg Wildegg im Wienerwald ansässig - für ein paar Stunden in unserer heutigen Zeit auferstehen darf. Was und wie er unsere heutige Zeit erlebt, lesen Sie in diesem köstlichen Gedicht
(Erklärung: Gas=Geiß=Ziege; die Rede ist aber von der "Gasleitung"):
Lang is her, scho etliche hundert Joahr.
(Kaunn sei' es is a goar net woahr),
Da lebte zu Wildegg ein Ritter.
Sei Lebn woar hoart und oft recht bitter,
denn ollweil hot eam 'dNeugier 'plogt und a de Surgn,
wie wird die Zukunft sei, waunn er amol nimmer is, des Murgn?
Doch aun des Lebensende bitteren Weh,
gewährt eam an Wunsch - a gütige Fee:
"Derfst amol aussi aus deiner salitrigen Gruft
und kosten a bissl die neuzeitge Luft!"
Und so is er vor kurzem in der Nocht,
für a poar Stunden aufgewocht.
Vurher hot eam tramt, in Sittendorf gibt's jetzt a Gas,
de mocht de Hütten und de Reindln haaß.
Kost's was wüll, des Viech muaß er sehgn,
denn sowos hots zu seiner Zeit do no net gebn.
Bei d'erst'n Schriatt hätts eam eh scho fost derstessen,
wäu er's Asphalt-gehn net gwehnt is gwesn.
Daunn reißt er d'Augn auf, ais wia a Kuah,
von stroh'deckte Hüttn ka anzige Spur!
Do stengan Häuser, fost wie a Palost,
ha, auf sowas woar er wirkli net gfoßt.
Beleicht' sans, wia mit tausend Kerzn,
sicha tuans drinnan kosn und scherzn.
Oder wird vielleicht gfeiert a Fest?
Bei d'Fenster schaut er eini - des gibt eam den Rest!
D'Leit sitzn um a Gloskastl umadum,
do san drinn' a einsperrt, de singan und springan
und Musik mocht bumbum.
In dem Moment biagt a klans Auto ums Eck.
Den Ritter pockt a furchtbarer Schreck!
A murdstrum Käfer, mit leuchtende Augn, wie der brummt!
Na sowos, früher worn d'Käfer vüll klaner und ham ollweil nur gsumm!
Jetzt oba schö auffi ins Schloß - er mocht si auf d'Roas,
denn sicha is obn, de neumodische Goas.
Drobn locht er, do kennt er si aus,
vom Turmzimmer schaut er wia früher ins Laund hinaus.
Do siacht er - er kaunn es got net glaubn,
von Sparboch tuat si a feuriger Drochn einaschraubn.
Dick und stinkert, mit an Getöse -
nach Heiligenkreuz - so richtig böse.
Es beidelt den Ritter der Schauer und's Grau'n -
in Gasstoill tuat er nimma einischaun -
er wü nur obe, in sei modgrige Gruft,
er pfeift auf d'Neuzeit und auf d'guate Luft!
© Johanna Weigl, Sulz im Wienerwald
mit freundlicher Genehmigung der Dichterin